Rückreise mit Hindernissen

Es ist fast so, als hätten wir in Shiraz noch schnell das Paket “Authentische Abenteuer im Iran” für unsere Rückfahrt gebucht.

Haben wir aber nicht. Dazu später mehr. Wir verlassen Shiraz Richtung Norden und suchen außerhalb der Stadt nach einer Tankstelle. Da es in den Städten nur Benzin gibt und kein Diesel, müssen wir erst ein Stück rausfahren. Nach kurzem Warten finden wir auch einen Lkw-Fahrer, der uns seine Dieselcard nutzen lässt. Das Geld geht wie immer an den Tankwart.

Gegen Mittag machen wir einen Abstecher zu den Margoun Falls. Da heute schon wieder ein Feiertag ist, sind entsprechend viele Leute hier und die Zufahrtsstrasse ist schon gut zugeparkt. Das letzte Stück geht es zu Fuß in die Schlucht. Es ist recht heiß, aber hinten am Wasserfall wird es durch den feuchten Wind herrlich erfrischend. Ein paar Fotos und zurück zum Bus.

In Yasui kommen wir wieder zurück auf die Strasse 55, der wir dann weiter nach Norden folgen. Da es schon langsam dämmert, biegen wir kurz vor Bagh-e-Bezad von der Strasse ab und fahren ein Stück in die Berge rein. Nach kurzer Zeit zweigt eine Schotterpiste ab, neben der ein paar ebene Flächen sind. Hier ist es sehr ruhig und wir stehen optimal für die Nacht. Denken wir. Zwei Jungs kommen noch auf einem Motorrad vorbei und fragen, nachdem sie einige Zeit nur zu uns geschaut aben, nach einem Selfie. Hab ich aber grad keine Lust drauf. Wir gehen früh schlafen im Dachzelt.

Gegen elf (ich bin noch wach) kommt ein Auto und leuchtet sehr hell bei uns rein. Ein zweites Auto und ein kleines Motorrad tauchen auch noch auf. Ich gehe runter und schau mal was sie alle wollen. Einer trägt eine Polizeiuniform, aber die Funktion der Anderen ist nicht klar. Niemand spricht wirklich Englisch. Es fallen ein paar Fussballernamen, I love Germany, aber viel mehr geht nicht. Der Platz sei wohl nicht sicher und wir sollen hier weg. Aber erstmal wollen sie noch zwei Selfies mit mir, soviel Zeit muß sein. Etwas genervt machen wir das Dach wieder zu und räumen auf. Der Polizist und der andere Clown fahren jetzt bei uns mit. Na super, kennt ihr unsere Taxipreise? Wir fahren etwa 20 Minuten durch die Nacht, das Polizeiauto immer hinter uns. Wir erreichen einen kleinen Ort und fahren durch ein Metalltor auf einen großen Hof. Das sieht aus wie eine Polizeistation, war von außen aber nicht als solche zu erkennen. Wir werden in einen kleinen Raum mit 2 Sesseln und einem Schreibtisch gebracht, ziemlich ärmlich eingerichtet. Mittlerweile ist es weit nach Mitternacht. Nach einer Weile fragt man nach den Pässen und beginnt, ein paar Daten aufzuschreiben. Ein neuer Typ kommt, der kein Wort mit uns spricht, dafür aber eine halbe Stunde in den Pässen blättert und sich jede Seite, auch die leeren, ewig anschaut. Soll das jetzt Psychoterror sein oder was? Nicht mit uns! Vik schlummert mittlerweile in ihrem Sessel und ich gehe jetzt mal raus. Die anderen Typen stehen alle im Hof und reden, ab und zu lachen sie mal über irgendwas oder sie telefonieren. Sieht so aus, als ob sie auf jemand warten. Der Clown ist auch noch da und faselt von Germany good und no worry. Schließlich kommen noch mehr Fahrzeuge mit neuen Typen. Ein Mann mit einem braunen Anzug verhört uns jetzt nochmal mit seinem lückenhaften Englisch. Dann drückt er mir ein kleines, abgegriffenes Handy mit einem grottenschlechten Lautsprecher in die Hand. Hier spricht jemand sehr gut Englisch, aber ich kann kaum was verstehen. Ich soll alle Orte unserer Reise aufzählen mit den jeweiligen Übernachtungsplätzen. Kein Problem, krieg ich fast lückenlos hin. Der Anzugtyp interessiert sich nun sehr für den Bus. In meinem Beisein kramt er überall rum und lässt auch die Gewürzdosen nicht aus. Zum Schluss schaut er sich noch die Fotos auf Viks Kamera an. Die Makrobilder von ein paar Pflanzen beeindrucken ihn und er zeigt sie den neben uns rumstehenden anderen Typen. Ich texte ihn etwas zu über Landschaftsfotografie und Natur und wie wir unsere Stellplätze auswählen. Am Ende ist trotzdem die Kamera weg und auch unsere Handys und Computer werden einkassiert. Es kommt ein Kleinbus in den Hof gefahren mit einem weiteren Anzugtyp mit Aktentasche. In dem Bus sitzt noch eine Frau mit schwarzer Vollverschleierung.

Wir bekommen nun endlich den versprochenen Tee. Alle stehen weiter auf dem Hof und quatschen. Leute, habt ihr kein Zuhause? Ich merke zum wiederholten Mal freundlich an, daß wir müde sind und schlafen wollen. Interessiert aber niemand. Hatte der Clown nicht am Anfang von Hotel gesprochen?

Einige Zeit später kommt Bewegung in die Sache. Jemand verlangt den Busschlüssel von mir und wir sollen in den anderen Kleinbus einsteigen. Was wird das jetzt? Ohne den Dongle startet der Bus natürlich nicht und der Fahrer guckt etwas ratlos. Jetzt muss ich sehr schnell entscheiden. Okay, ich steige wieder aus und steck den Stecker rein, nachdem er mir gesagt hat, daß beide Fahrzeuge zusammen fahren, wohin auch immer.

Wir fahren circa eine Stunde über leere Strassen durch die Nacht. Die Schleierfrau ist sicher die “Betreuerin” für Vik, falls irgendwas vorfällt. Gegen fünf Uhr sind wir in Schar-e-Kord beim Parsian Hotel, ein staatliches Vier-Sterne Hotel. Immerhin bekommen wir jetzt ein Zimmer, aber unsere Sachen und der Bus sind weg.

Selten so gut geschlafen, aber um acht gibts Frühstück vom Buffet. Unter anderen Umständen eine feine Sache. Unser Kontaktmann vom Hotel (der, mit dem ich schon in der Nacht telefoniert hab) erklärt uns, daß es sich noch etwas verzögert, man ihm aber auch nichts sagt. Er muss jetzt noch ein Interview mit uns führen. Da wir mittlerweile wissen, worauf er aus ist, können wir das natürlich perfekt machen. Es sieht aus wie smalltalk, aber er baut immer wieder Fangfragen und kleine Fallen ein. Wir spielen das Spiel mit und ich versuche, das Gespräch zu führen mit freundlichen Fragen. Etwas genervt beendet er das schliesslich. Wir könnten doch wieder auf unser Zimmer, nochmal duschen oder relaxen. Das machen wir dann auch. Gegen Mittag klingelt das Zimmertelefon und wir bekommen die Nachricht, das nun alles vorbei sei (no more problem). Wir entscheiden uns noch für das Mittagessen im Hotel auf Polizeikosten. Danach bekomnen wir von ihm unsere Sachen zurück, der Bus parkt vor der Tür. Wars das wirklich jetzt? Wir müssen noch einen Zettel schreiben, daß wir alles zurückbekommen haben und dann verabschieden wir uns. Von den ganzen anderen Typen keine Spur mehr.

Wir sitzen wieder in unserem Bus und fahren Richtung Isfahan. Was haben wir da gerade erlebt, war das alles nur ein schlechter Traum? Nein, die F4 Taste an meinem uralt Notebook ist immer noch nicht fest. Sicher waren sie beim Öffnen der Kiste etwas ungeschickt. Wir sind froh unsere Freiheit zurück zu haben. Doch halt, sind unsere Geräte jetzt mit spyware ausgestattet und der Bus hat einen GPS Tracker? Aufgrund der aktuellen Situation im Iran dürfen wir nicht wie geplant durch Kordestan fahren. Beim Wort Kermanschah wurden alle sehr nervös, als es um unsere geplante Route ging. Das lassen wir nun besser bleiben und nehmen die empfohlene Strecke über Isfahan und Tabriz.

Okay, so verbringen wir noch eine Nacht im Sarv Hostel und schlendern noch einmal über den Imam Square. Es ist heute sehr frisch am Abend und auch relativ leer. Am nächsten Tag fahren wir mittags noch kurz bei brothers overlanding vorbei. Ich kenne Vrej schon länger über facebook. Er betreibt eine Werkstatt und ist bei overlandern sehr bekannt. Wir sitzen auf einen Tee in seiner Werkstatt zusammen, in der eigentlich hauptsächlich Dieselfilter für Lkw produziert werden.

Von hier fahren wir heute noch bis Saveh, wo wir in der Nähe vom Forest Park übernachten. Der Park selber war uns zu voll und laut, wie meistens.

Nächster Stop ist Tabris. Wir sind relativ spät da und stellen uns in den El Goli Park auf einen der beiden Parkplätze. Hier ist auch viel los, besonders nebenan am See. Besser wäre wohl der Campingplatz direkt an der Einfahrt gewesen. Wir bleiben noch einen ganzen Tag in Tabriz, parken aber vorher um zum Free Camping weiter Richtung City.

Wir besuchen nochmal den Basar, erledigen ein paar Einkäufe, gehen essen, Waschen unsere Wäsche und kochen abends im Bus. Auf dem Camping sind momentan nur Deutsche. Wir lernen zwei Radfahrer kennen und Fritz (@puch_adventures), der noch nach Zentralasien will.

Von Tabriz haben wir eine kurze Etappe bis Marand, wo wir Yousef und seine Familie doch noch besuchen. Wir hatten ihn schon vor vier Wochen in Tabriz kennengelernt. Marand ist eine eher unspektakuläre Kleinstadt, aber der Besuch wird sehr nett. Wir schlafen im Gästezimmer und den ganzen Tag wird lecker aufgetischt. Zwischendurch kommt Reddie in die Werkstatt, wril er Kühlwasser verliert. Zum Glück nur ein defekter O-Ring am Temp-Geber, aber der kann nirgends aufgetrieben werden. Die Bastellösung hält aber auch bis jetzt sehr gut. Wir besteigen eine alte Festungsruine in der Nähe und machen einen Ausflug nach Jolfa an der Grenze zur azerbaidschanischen Enklave.

Nach zwei Tagen fällt der Abschied schwer, aber wir wollen weiter Richtung türkische Grenze. Wir bleiben noch einen Tag und eine Nacht in Khoy, wo es uns recht gut gefällt. Im Mellat Park stehen wir ganz gut am Ende einer Strasse. Es ist auch nicht so viel los, abet das ändert sich ab vier Uhr morgens. Zu unserem Adventure Package gehört nämlich noch ein richtiges iranisches Erdbeben. Als ich davon aufwache, hört es sich an, als stünde Reddie in einem Windkanal mit gleichmässiger Strömung. Hab ich so noch nie erlebt. Hab spontan an den Sturm nach einer Atombombe gedacht. Der Park füllt sich innerhalb der nächsten Stunde schnell mit Zelten, aber niemand ist irgendwie in Panik. Internet haben wir nicht mehr, da schon mehr als 30 Tage rum sind und dann meine IMEI gesperrt ist. Später erfahren wir, daß wir 7 km vom Epizentrum entfernt waren. Beim Beben der Stärke 5,6 gab es mehr als tausend, meist leicht Verletzte.

Das letzte Iran Kapitel ist die Ausreise selber. Wir wissen leider nicht, daß heute schon wieder ein Feiertag ist, als wir von Khoy zur Grenze aufbrechen.

Dadurch ergibt sich ein langes Wochenende von Mittwoch bis Freitag und viele sind unterwegs Richtung Türkei. Als wir gegen 11 an der Grenze ankommen, sieht eigentlich alles recht normal aus. Viele Pkw und Kleinbusse stehen in 2 Warteschlangen. Daneben gibt es eine enge Gasse für den Gegenverkehr und ganz links parken Autos. Dumm ist nur, daß die enge Gasse auch in unsere Richtung von einigen Vordränglern und einigen Parkplatzbenutzern genutzt wird. Zusammen mit dem Gegenverkehr gibt das ein Mega- Chaos und nichts geht mehr. Die Vordrängler verursachen einmal fast eine Schlägerei. Vorbei mit der iranischen Freundlichkeit! Während wir hier stehen kommt uns der grüne Benz von amhema.com entgegen. Hendriks Frau sitzt am Steuer und wir unterhalten uns kurz. Viel Glück für eure Zeit im Iran!

Gegen 15 Uhr erreichen wir das Tor, durch welches immer wieder mal ein paar Fahrzeuge reinfahren dürfen. Problem 1: Vik muss ab hier durch das Passenger Terminal und taucht erst wieder in der Türkei auf. Problem 2: Ich hätte spätestens jetzt die Fuel Tax zahlen müssen, da ich ohne den Beleg keinen Stempel im Carnet bekomme. Die Bretterbude dafür ist aber VOR dem Tor. Trotz vieler Versuche zuvor ist mir das nicht gelungen. Barzahlung geht nicht. Ausländische Kreditkarte sowieso nicht. Ausserdem war mir der geforderte Betrag von über 90 Euro zu hoch. Jetzt muss der Bus aber erstmal durchs Tor, sonst lyncht mich der Mob hinter mir. Nach vielem hin- und hergerenne zahle ich schliesslich 75 Dollar mit der iranischen Bankkarte eines Fixers. Danach geht alles relativ schnell. Ich bekomme den exit stamp ins Carnet, ohne daß sich jemand den Bus anschaut. Zwischendurch zeige ich noch jemand auf dem Hof meinen Pass. Das Tor steht gerade offen und ich fahre hinter jemand her raus. Nix wie weg hier und rüber zur türkischen Grenze. Hier ist noch eine längere Schlange, aber alles läuft ganz zivil. Gegen fünf bin ich durch und sammle Vik auf und wir fahren in die Abenddämmerung Richtung Van.

Soll man den Iran jetzt noch bereisen ?

In den letzten Tagen haben wir viel erlebt, das wir erstmal verarbeiten müssen. Erstmal sind wir froh, heil wieder rausgekommen zu sein. Aufgrund der aktuellen Proteste mit vielen Toten gibt es momentan eine große Diskussion, ob man als Tourist überhaupt noch einreisen soll.

Einerseits freuen sich die Iraner über Kontakt zur Aussenwelt und wollen uns zeigen, daß das Land auch eine sehr schöne Seite hat.

Andererseits gibt es die Meinung, das die Anwesenheit von Touristen im Land die Situation weniger dramatisch erscheinen lässt und unser Geld auch dem Regime zugute kommt.

Nicht zuletzt besteht immer die Gefahr einer Festnahme und Inhaftierung, selbst wenn man nichts Böses tut und sich nicht politisch äußert bzw. aktiv ist. In unserem Fall hat es schon gereicht, mitten in der Natur den Van nachts in der Nähe oder auf einer Gasleitung zu parken. Niemand hat uns das gesagt, aber ich gehe davon aus, daß es der Grund für unsere Festsetzung war.

Am Ende muß jeder für sich entscheiden, ob es die Risiken wert sind, ein wunderschönes Land mit liebenswerten Menschen kennenzulernen oder wieder zu besuchen. Viele der overlander, mit denen wir in Kontakt sind, sind im Land geblieben. Andere sind schnell wieder raus oder gar nicht erst rein. Absolut nachvollziehbar.

Man kann nur hoffen, daß die vielen Opfer nicht umsonst sind und die Proteste am Ende diesmal etwas bewirken.

Im Iran muss sich sehr viel ändern, die Menschen haben es verdient!

#MahsaAmini