Mardin – ein orientalischer Traum

Wir wählen das Kloster Deyrulzafaran als unseren Platz für die Nacht. Wir lernen auch gleich den Parkplatzwächter Aydin kennen, er ist ein wirklich lieber Mensch. Spät am Abend bekomme ich noch Essen von ihm gebracht (Vik kann noch nicht). Später werden wir ihn zum türkischen Chai und zu Wassermelone einladen. Nach der zweiten Nacht hier bekommt Vik noch ein paar Geschenke (Oliven, Gewürze und irgendwas, das wir noch nicht probiert haben). Wenn um 9 Uhr die Touribusse komnen, sind wir schon wieder weg.

Von Mardin sind wir schwer begeistert. Vik geht es langsam schon wieder besser und wir können die Stadt erkunden. Wir parken tagsüber in der Stichstrasse zum Mardin Otel, von wo eine Treppe zur Hauptstrasse durch die Altstadt hinaufführt. Das Gewirr der kleinen Gassen und Treppen ist der perfekte Einstieg in diesen Ort mit reicher Geschichte. Die Altstadt mit den meist schön renovierten Steinhäusern schmiegt sich an den Burghügel und schaut über die Tiefebene von Mesopotamien.

Die Geschichte von Mardin ist recht turbulent und grausam. Die Stadt wurde nacheinander von den Aramäern, Hurritern, Hethitern, Assyrern, Babyloniern, Amoritern, Persern, Parthern, Römern, Arabern, Kurden, Seldschuken und Osmanen beherrscht. Während des Massakers an den Armeniern 1915-1916 wurden hier ausnahmslos alle arabischen, aramäischen und armenischen Christen der Stadt umgebracht. Heute leben alle in Frieden zusammen. Keine Selbstverständlichkeit im konfliktträchtigen anatolischen Osten.  Die Bevölkerung Mardins besteht heute aus Türken, Kurden und Arabern sowie der größten assyrischen/aramäischen Minderheit des Landes. Neben Muslimen und assyrischen Christen lebten bis vor einigen Jahrzehnten einige tausend jesidische Kurden in der Provinz Mardin. Diese Mischung spiegelt sich im Bild der Stadt wider.

Wir fühlen uns hier wirklich im Orient angekommen, mehr noch als bei unseren vorigen Stationen. Besonders am Abend erwacht die Stadt zu einem quirligen Leben, das keinesfalls vom Tourismus dominiert wird. Die meisten Besucher kommen ohnehin aus der Türkei. Es gibt unzählige gute Restaurants mit lokalen Spezialitäten, z.B. Lamm Kebab. Kochen im Bus ist derzeit nicht angesagt. Die Mittagszeit verbringen wir meist auf einer der vielen Dachterrassen bei einem kühlen Getränk und mit weitem Blick in die mesopotamische Ebene oder mit einer riesigen Wassermelone im Bus.

Auch der Basar unterhalb der Hauptstrasse kann sich sehen lassen. Er ist nicht so riesig wie der in Urfa, aber bietet auch viel für alle Sinne. Seife ist hier ein Verkaufsschlager. Sie wird mit Pistazien- und Olivenöl hergestellt und der Duft begegnet uns auf Schritt und Tritt. Es gibt auch viele kleine Handwerkerbetriebe vom Schmied über Tischler bis zum Juwelier, wo man den Experten gerne über die Schulter schauen kann. Abends trifft man sich auf dem Platz vor dem Kültür Meydan, lauscht kurdischem Gitarrenfolk oder spielt mit den Kindern.

Wir verbringen zweieinhalb Tage in dieser faszinierenden Stadt, bevor es weitergeht Richtung Osten. Heute fällt die Entscheidung: Wir besuchen erstmal nicht den Irak. Was spricht dagegen?

  • Kosten für Visa und Fahrzeugimport
  • nur wenige Tage Aufenthalt wären geplant
  • sehr hohe Temperaturen derzeit
  • Freistehen nur sehr eingeschränkt möglich
  • die aktuelle Sicherheitslage

Wir werden also schneller in den Nordosten fahren und dann erstmal nach Georgien. Zuvor erkunden wir noch den hintersten Winkel der Türkei im Dreiländereck bei Irak und Iran. Mal sehen, wie weit wir da derzeit reinfahren dürfen.