Lost Places: Eine Reise in die Vergangenheit…

… der Sowjetunion. Wir besuchen lost places in Georgien (ehemalige Sanatorien in Zqaltubo).

Der Nieselregen will einfach nicht aufhören. Egal, damit haben wir die perfekte Stimmung für unsere heutige Unternehmung. Wir sind in Zqaltubo, wo wir einige der ehemals prunkvollen Sanatorien entdecken wollen, die heute größtenteils verfallen und als skurrile Kulisse für Fotoshootings oder Graffitis dienen. Einige Gebäude werden von Flüchtlingen aus Abchasien bewohnt. Um es gleich vorweg zu sagen, wir vermeiden es, in deren private Wohnbereiche einzudringen und irgendeine Art von Armutstourismus zu veranstalten. Die Architektur interessiert uns heute. Lost places in Georgia.

Wir beginnen mit einem Gebäude, in dem es Mosaike im typischen Sowjet-Stil zu sehen gibt. Ansonsten ist es eher trostlos hier. Wasser tropft überall aus der Decke in oder neben Eimer auf dem glitschigen Boden. Wir bleiben im Erdgeschoß, die oberen Etagen sind wohl bewohnt, da überall Wäsche vor den Fenstern hängt.

Weiter geht es zu den etwas prunkvolleren Gebäuden, wo wir mehr Zeit verbringen Meist sind wir allein dort, hier und da treffen wir noch andere Leute mit Kameras. Die meisten Sanatorien sind direkt in der Stadt, man muss also nicht weit fahren bzw. gehen. Die meiste Zeit verbringen wir im Iveria. Hier kann man in den vielen Zimmern so manche Skurrilitäten finden, man muss nur ein wenig suchen. In einigen Teilen des Gebäudes ist es schon etwas gruselig… Der Hammer ist aber auch hier das zentrale Treppenhaus.

Das Badehaus Nr. 6 liegt in einem großen Park und ist noch in Betrieb, hier gibt es ein privates Bad für Stalin (momentan nicht genutzt). Andere Badehäuser waren weniger chic und verfallen langsam.

Zqaltubo 
(auch Tskaltubo, Tschaltubo und Tsqaltubo) ist ein Kurort und Thermalbad in Georgien, der einer der bedeutendsten Kurorte in der Sowjetunion war. Nach dem Zusammenbruch der Union verfiel Zqaltubo zunehmend und erlebt erst seit wenigen Jahren wieder einen langsam zunehmenden Tourismus. Das touristische Potential Zqaltubos wird aufgrund seiner Lage und seiner naturräumlichen Bedingungen als hoch eingestuft.

Die Thermalquellen im Ort sind leicht radioaktiv. Ihr Wasser wird gegen Rheumatismus und andere Gelenkerkrankungen angewandt. In Zqaltubo ist das Forschungsinstitut für Asthma, Allergien und Immunologie der Georgischen Akademie der Wissenschaften angesiedelt. Zqaltubo wurde 1935 mit der Bahnstrecke Brozeula–Zqaltubo an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Heute besteht nur eine Nahverkehrsverbindung nach Kutaissi.

Kur- und Erholungsort in der Sowjetunion
Zqaltubo war in der Sowjetzeit einer der größten Kurorte des Republikverbundes. Die Sowjetunion verfügte über ein Netz aus Erholungsheimen (dom otdycha) und Sanatorien (sanatorija). Dieses umfasste in den 1970er Jahren „rund 6000 Sanatorien, Prophylaktorien und Pensionate, […] [wo] jährlich an die 13 Millionen Menschen versorgt wurden […], rund 90 Prozent zu privilegierten Bedingungen auf Staatskosten“. Wegen seiner leicht radioaktiven Thermalquellen war Zqaltubo bereits seit dem 19. Jahrhundert als Heilbad betrieben worden. Im Zuge der sowjetischen Kurortpolitik zur Aufrechterhaltung der sozialistischen Arbeitskraft wurde es zwischen 1939 und 1955 mit historisierenden Gebäudekomplexen im Stil eines von Stalin favorisierten Neo-Klassizismus ausgebaut. Diese Bauphase ist im Zusammenhang mit der Politik zu sehen, die östliche Schwarzmeerküste zu einer ‚Kaukasischen Riviera‘ für Erholungssuchende auszubauen. In einer zweiten Hochphase der 1970er Jahre folgten Gebäude, die architektonisch dem konstruktivistischen Stil der sogenannten ‚klassischen sowjetischen Moderne‘ zuzuordnen sind.
Ein Aufenthalt in einem der sowjetischen Sanatorien und Erholungsheime diente aber nicht nur der Wiederherstellung der Arbeitskraft, sondern auch der Herstellung des im sowjet-ideologischen Sinne neuen Menschentyps (vgl. Ausführungen zum homo sovieticus u. a. im Werk von Swetlana Alexijewitsch). „Erholung war nicht einfach Freizeit, sondern ‚bewusst und kulturvoll‘ gestaltet, der Entwicklung des ‚allseitig gebildeten Menschen‘ dienende Tätigkeit, die Fortbildung, Theater, Landeskunde, Gymnastik mit einschloss. […] Der Tagesablauf war auf die Abfertigung und das Management von Kollektiven […], nicht auf die Bedingung individueller Gäste ausgerichtet“ So war Zqaltubo nicht nur nach den verschiedenen medizinischen Bereichen aufgegliedert wie Thermalquellen, Badeanlagen und Kursälen, die der ideologischen Unterweisung und Bildung dienten. Die Sanatorien selbst waren nach Berufsgruppen gegliedert, wie das Sanatorium der Bergarbeiter oder das der Geologen. Erholungsaufenthalte in Zqaltubo gehören mithin zur festen Familienbiografie nicht nur sehr vieler Georgier, sondern auch vieler anderer Sowjetbürger.
Nutzungswandel und Verfall der Sanatorien nach der Unabhängigkeit Georgiens
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verwandelten sich weite Bereiche der ‚Kaukasischen Riviera‘ in Kriegsgebiete. Während in Abchasien die architektonisch bedeutendsten Sanatorien- und Hotelkomplexe ausbrannten, bezogen in Zqaltubo rund 10.000 der vor dem Krieg geflohenen und vertriebenen rund 250.000 Binnenflüchtlinge (IDPs) Hotels, Sanatorien und Erholungsheime.
Seit den 1930er Jahren waren verstärkt – in Folge der sowjetischen und sowjetisch-georgischen Politik, die ethnische Struktur Abchasiens zu verändern – ethnische Georgier in Abchasien angesiedelt worden. Da diese zum Zeitpunkt des kriegerischen Ausbruchs der Konflikte dort bereits über mehrere Generationen gelebt hatten, verloren sie mit der Vertreibung allen Grundbesitz und waren beispielsweise in Zqaltubo auf die Unterkunft in Kurhotels und Sanatorien angewiesen – auch auf die über das Wohnen hinausreichenden Ressourcen, welche die Anlagen boten: Kurparks verwandelten sich in Gärten und Viehweiden, Bäume wurden gefällt, Tische, Stühle, Theken und Parkette der Speisesäle verwendet, um kochen und heizen zu können. Nach und nach verfielen auch die prächtigsten der Gebäude und Parkanlagen.
Heute wird das Vier-Sterne-Hotel „Tsqaltubo SPA Resort“ als einziges der Hotelgebäude und Sanatorien betrieben, welche in der Sowjetzeit errichtet worden waren. Dies liegt daran, dass es bereits Anfang der 1990er Jahre von paramilitärischen Einheiten besetzt worden war, welche die aus Abchasien nach Zqaltubo drängenden georgischen Flüchtlinge fernhielten. Alle weiteren heute betriebenen Hotelgebäude sind Neubauten, nur eines der früher zwei medizinischen Anwendungszentren ist derzeit in Betrieb.
Die restlichen der während der Sowjetzeit errichteten Gebäude sind in Staatsbesitz, wenige sind bis heute an ausländische Investoren verkauft worden. Zqaltubo erlangte zunächst in Folge der Aktivitäten ausländischer Nichtregierungsorganisationen internationale Aufmerksamkeit, da der georgische Staat nicht die Mittel aufbringen konnte, die Flüchtlingskrise aus eigenen Mitteln zu bewältigen, die durch den Konflikt um Südossetien zusätzlich anwuchs.
Die Lebensumstände der Menschen in den ehemaligen Sanatorien, Hotels und Erholungsheimen sind prekär. In einer Reihe von Ausbildungs- und Kunstprojekten wird versucht, in Zusammenarbeit mit den Beteiligten vor Ort an Zukunftsperspektiven vor allem für die bereits in Zqaltubo geborene zweite und dritte Generation zu arbeiten.
Auszug von wikipedia.de

Es gibt viele Parks in der Stadt und die Sanatorien haben meist auch große, grüne Grundstücke. Was fehlt, sind die Menschen. Die ganze Stadt wirkt eher wie ein Museum. Mittendrin gibt es einen Markt und ein paar Geschäfte. Unser Mittagessen holen wir in einer Bäckerei.

Unser letztes Sanatorium wird eins der Highlights. In dem noch von Flüchtlingen bewohnten Metalurgist gibt es ein wunderbares Treppenhaus mit Kronleuchter zu sehen.

Wir fahren anschliessend noch ein Stück weiter bis Kutaisi und bleiben dort für die Nacht. Die Reise wird von hier aus in die Hauptstadt Tblisi führen, wo wir ein paar Sachen zu erledigen haben und sicher einige Tage bleiben.

* * *
At the divide of windows, soggy walls
And traceries of threadbare parquet
The shadow shrinks, the shadow’s getting small,
The friendly summer day dissolves away.

The broken stairs without banisters
Are like the gangway of the dusty portal;
Its surfaces, full of the stealthy steps,
Are almost as the monument immortal.

For us, poor natives of the ghostly land,
Who’s lost in nowadays without traces,
These draws are left on walls’ wide opened hand,
From those, who perished for the peaceful spaces.

These draws remind about the wily world,
About it’s death, relentless and predicted.
The dog, by which I’m constantly observed,
Whines, by the hits and cold of night inflicted.

VH

#lostplaces #zqaltubo